Kohlenstoffstahl – Ein lebendiger Mythos
Bei dem folgenden Beitrag geht es mir um die Verarbeitung von Kohlenstoffstahl beim Schmieden aus der Sicht eines Anwenders und Freund von gutem Stahl .
Schon eine alte Tischlerweisheit besagt : ” Scharfes Werkzeug ist halbe Arbeit “.
Je mehr ich mich mit dem Kohlenstoffstahl auseinandersetzte , um so mehr respektierte ich den Mythos des Schmiedens .
Er hat auch in modernen Zeiten nichts von seiner Faszination verloren hat . Ganz im Gegenteil !
Als Quelle diente mir in diesem Beitrag ” Die Kunst des Schmiedens ” von Hâvard Bergland .
Die Esse – was braucht’s für ein ordentliches Feuer ?
Traditionell bevorzugt Holzkohle ! Sie enthält keinen Schwefel , ist also sehr rein und daher sind die Flammen ruhig . Obendrein gibt sie eine hohe Strahlung ab und es fällt wenig Asche und Schlacke ( Oxidgemisch ) an .
Sie sollte eine blanke , glänzende Bruchfläche haben und schwarz sein .
Steinkohle ist deshalb nicht so sehr geeignet , weil der enthaltene Schwefel den Stahl rotbrüchig macht .
Dennoch wird Steinkohle zu Koks sublimiert , was sich wiederum für das Schmieden von Werkzeug und Kohlenstoffstahl recht gut eignet .
Traditionell ist Koks ein Überbleibsel aus der Destillation von Teer , was bei der Kohleproduktion von Föhren und Kienholz ( harzreiches Holz ) gewonnen wird .
So , und neben der guten Glut braucht’s natürlich noch ordentlich Luft ..
Die Komponenten , – Feuerschüssel , Abzug und Zuluft
Das Zusammenspiel von Esse , Abzugshaube und Kaminrohr ist von der Raumdimension abhängig .
Je höher der Schornstein , desto größer die Sogwirkung .
Als Feuerschüssel eignet sich Gusseisen , denn es ist beständiger als Stein ( von dem bröckelt schon mal was ab ) und auch die Schlacke haftet nicht am Guss .
Gusseisen ist im übrigen nicht geschmiedetes Eisen mit einem Kohlenstoffanteil von etwa 1% . Solch eine Metallmischung ist auch der Rohstoff für Kohlenstoffstahl .
Die Schüssel ist üblicherweise 300 bis 400 mm Durchmesser breit und 70 bis 150 mm tief .
Die Zuluft verteilt sich durch ein Loch im Boden besser als ein seitlicher Einlass .
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Bei einer Gasesse kann die Verbrennung von Gas , Sauerstoff und Luft sauber eingestellt werden . Dabei werden die Rückstände von Zunder und Schlacke weitestgehend vermieden , denn durch das Gas/Sauerstoffgemisch wird jede Reaktion unterbunden . -> Edelstahl läßt sich nur so schmieden oder schweißen ( Schutzgasatmosphäre ) .
Amboss
Sinnbildlich steht der Amboss für das Schmiedehandwerk ,- da hat sich seit Urzeiten nichts geändert .
Jedoch sollte die plane Fläche ( Bahn ) gehärtet sein sowie einen Vierkant und ein Rundhorn haben . Wenn dann noch die Ränder scharfkantig sind , sind schon mal die wichtigsten Voraussetzungen erfüllt .
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Die Arbeitshöhe ist etwas niedriger als Tischhöhe , wobei es wieder auf die eigene Körpergröße und die Schmiedeart ankommt . Der Untersatz ist normalerweise ein Baumstumpf , – stehendes Holz was durch einen Flacheisenrahmen gehalten wird .
Es kann aber auch Sand verwendet werden in einem Holz oder Stahlfass .
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Ein solider Schraubstock ist wohl in jeder Schmiede zu finden . Der wird erst durch eine Bodenstütze richtig gut in Position gehalten !
Zangen
Ein routinierter und erfahrener Schmied ist dem Arbeitsprozess immer Voraus .
Daher unterhält er ein ganzes Arsenal von Zangen , Hämmern und Formen . Meistens selbst geschmiedet !
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Unterschieden wird zwischen Kraftzangen , die am Werkstück passend anliegen und Flachzangen , die das Eisen mit dem äußeren Ende anpacken . Geschmiedet werden solche Zangen aus eisen mit einem Kohlenstoffanteil von 0.4 bis 0.6% . Damit sind sie ausreichend spröde und noch bruchfest genug . Kohlenstoffstahl wäre hier eindeutig zu spröde .
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! Zangen müssen passend geschmiedet werden , wobei gilt: – Je kürzer das Zangenmaul und länger der Griff , umso kräftiger ist ihr Biss –
Drückt der Schmied oder die Schmiedin mit 5kg die Zange bei einer Grifflänge von 40cm und einer Maullänge von 12cm , dann ist die Beißkraft über den Dreisatz einfach zu ermitteln .
5kg x 40cm = Beißkraft x 12cm ; Beißkraft = 16, 66Kilo
Zuschlagen
Das schweißtreibende Zuschlagen ist traditionell Aufgabe der Auszubildenden .
Während der Schmied alleine noch eine Messerklinge beherrscht , so braucht es für die dickeren Werkstücke eine kräftige Hilfe – das Zuschlagen eben .
Die industrielle Revolution wurde vorwiegend durch die Eisenverarbeitung angekurbelt und weiterentwickelt . So spricht man heute noch von einem “Dampfhammer” , als Synonym für gewaltige Kraft .
Da hat auch die Moderne nichts dran geändert , – bis auf den elektrischen Antrieb . Der treibt die federgelagerten Maschinenhämmer an und ist eigentlich nicht wegzudenken in einer harten Schmiede .
Solche Zuschläger werden über ein Pedal bedient und können im Bestfall auch einzelne Schläge abgeben .
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Ünüberhörbar verrichten auch noch Lufthämmer ihren Dienst , die mit einem großen Kolbensystem arbeiten .
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Vor der Industrialisierung sorgte das Wasser für die nötige Krafteinwirkung , so etwa ab dem Ausgang der Gotik im 15. Jhd . Der Takt der sogenannten Kissenhämmer war der Natur wesentlich angepasster .
Hantieren mit dem Werkzeug
Bei der Bahn ( obere Fläche des Amboss ) sowie den Vorschlaghämmern sollte die Fläche leicht gewölbt sein . Dabei wird der Hammer mit lockerer Hand geführt und durch ein leichtes Öffnen und Schließen der Hand variiert der Schmied seinen Griff .
Der Zwischenschlag auf den Amboss läßt den Hammer wie eine Feder nach oben springen .
Mit dem Gegenstück der Hammerbahn , der Finne , können Vertiefungen im Eisen vorgenommen werden . Sie verläuft entweder parallel oder quer zum Hammerstiel . Für das Abtrennen des Eisens nimmt der Schmied ein Abschrot , was im Amboss liegt .
Je nachdem wie groß und hart ein Schmiedestück ist , wird es kalt oder warm geschrotet und dafür gibt es dann auch wieder spezifische Unterschiede des Abschrot-Eisens . Es muss aber auf jeden Fall gehärtet sein , sonst bleibt es stecken .
Der Dorn sollte aus Federstahl sein und dient zur Lochung ohne Materialverlust des Eisens . –
Ein Federstahl kommt dem Kohlenstoffstahl mit 0.6% Anteil schon recht nahe . – Dazwischen wird immer wieder im Wasser gekühlt . Zwischen Amboss und Eisen liegt ein Zwischenstück .
Wird nicht für ausreichend Kühlung gesorgt , besteht die Gefahr einer Stauchung und das Werkzeug bleibt stecken .
Auf solche heißen Stellen streut der Schmied vorher auch schon mal ein wenig Asche .
Kleine Metallkunde
Kohlenstoffstahl , Carbonstahl oder Schneidenstahl hat einen C – Anteil von ca. 1% und wird bei laminierten Werkzeugen , Klingen für Messer und anderem , feuerverschweißt .
Federstahl hat ca. 0,4 bis 0,6% Kohlenstoff . Ein Schmied holt sich diesen brauchbaren Stahl schon mal vom Schrottplatz . Der Kohlenstoffgehalt in Blatt- und Spiralfedern sorgt für ein Rückfedern .
Stahl hat maximal 1.8% Kohlenstoffanteil ,- bei über 2% ist er sozusagen nicht mehr “schmiedbar” .
Ein Indiz für Stahl mit einem höheren C – Anteil ist eine intensive Funkenbildung beim Anschneiden mit dem Winkelschleifer .
Gusseisen wird mit einem hohen C – Gehalt gegossen und ist im Ergebnis hart und spröde .
Werkzeugstahl wird häufig gehärtet .
Baustahl läßt sich nicht härten .
Unlegierter Werkzeugstahl bei Äxten , Hämmern , etc. .
Der Schmelzpunkt von Stahl fällt umso niedriger aus , je mehr Kohlenstoff eingebunden ist .
Industriell hergestellte Äxte , Beile und a. werden ohne Laminierung hergestellt .
Eine Oxidation entsteht , wenn sich an der Oberfläche Sauerstoff bindet , dabei entsteht beim Schmiedeeisen Zunder.
Das Schmieden vom Eisen bis zum Kohlenstoffstahl
Kaum ein Handwerk gestaltet sich so komplex wie das Schmieden . Der Volksmund sagt : ” Schmiede das Eisen solange es heißt ist ” , oder man sagt auch ” mehrere Eisen im Feuer haben “.
Das Eisen ist es , dem der Schmied seine ganze Aufmerksamkeit schenkt . Er versucht immer wieder auf’s Neue es zu beherrschen und es in seiner Weise zu beeinflussen .
Je schneller das Eisen im Takt des Hammers bearbeitet wird , umso länger hält es sich warm . Die so erzeugte Reibung im Innern geht in neue Wärmeenergie über .
Der Verlust der Magnetizität von Stahl während der Erwärmung auf über 770°C verändert das Material zu Austernit . Die Struktur des Stahls nach dem Härten wird als Martensit ( wieder magnetisch ) bezeichnet .
Die Dualität der Eigenschaften von Stahl treten am Beispiel der Bohrer sehr anschaulich zu Tage .
Für die Härte der Schneide wird mehr Kohlenstoff benötigt , doch gleichzeitig verliert der Stahl seine Zähigkeit .
Gleiches gilt natürlich auch für Messerklingen u.a. , daher setzen die Meisterschmiede auf das Laminieren ( Feuerverschweißen ) . Dabei gibt der Stahl mit bpsw. 0,4% Kohlenstoff der Schneide seitlichen Halt und Zähigkeit . In diesem Mantel zähen Stahls liegt die harte und spröde Schneide aus Kohlenstoffstahl . Bei einem einseitigen Scherenschliff sind es dann nur 2 Schichten , so wie bei japanischen Stechbeiteln ( Nomi ) .
Feuerverschweißen bei Kohlenstoffstahl
Das Eisen ist ohne Kohlenstoff träge und zäh . Erst durch die Hinzugabe von Kohlenstoff bekommt das Eisen seine Schneidehärte . Die Kunst beim Schmieden besteht in der Hauptsache darin , die Elemente Fe ( Eisen ) und C ( Kohlenstoff ) bestmöglichst zu verbinden .
So nebenbei: Das Eisenschmieden wird seit 2500 Jahren praktiziert , wobei das Laminieren seit 2000 Jahren bekannt ist .
Um nun den Kohlenstoff mit dem Eisen zu verbinden , darf kein Sauerstoff an die beiden Oberflächen geraten . Würde das passieren , so wäre das Werkstück unbrauchbar .
Die Verwendung von Sand ( geläufig auch unter dem Begriff “Flusssand” ) durch Aufstreuen auf die zu verbindenden Oberflächen läßt das Streu schmelzen und isoliert das Eisen/Stahl von Sauerstoff . Häufiger als Sand nimmt der Schmid das natürliche Mineral Borax ( Natriumtetraborat ) .
Somit ist der Kohlenstoffstahl geschützt und kann anschließend im Temperaturbereich von 1200° bis 1300°C feuerverschweißt werden .
Kohlenstoffstahl mit 1% C wird normalerweise bei 800° bis 1000°C geschmiedet . Doch schon im Bereich von 750° bis 800°C bekommt das rote Werkstück ein feinkörniges und starkes Gefüge , wenn der Schmid es mit harten und andauernden Schlägen treibt . Noch niedrieger , nämlich bei 600°C , werden Meißel ( Werkzeugstahl ) mit kräftigen Schlägen geschmiedet ( zugespitzt ) , um ein möglichst starkes Gefüge zu bekommen .
Ab 770°C verliert der Stahl seine magnetische Eigenschaft , – ein wichtiges Zeichen für den Schmied . Außerdem achtet der darauf , dass sich keine Schlacke während des Feuerverschweißens in der Feuerschüssel befindet und das Feuer heiß und ruhig ist .
Erstes Schleifen
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Für das grobe Zurechtschleifen der Schneide empfiehlt sich eine Tellerscheibe mit Körnung 46 .
! Je gröber die Körnung , desto weniger heiß wird der Stahl , denn ein “Blauwerden” ist auf jeden Fall zu vermeiden .
Der Härtegrad der Scheibe liegt bestenfalls bei 1 und ist hell ( weiß ) sowie offenporig .
Sie besteht neben Bindemitteln aus dem in der Schleifindustrie häufig verwendetem Aluminiumoxid . Der Porenanteil liegt bei 40% des Volumens . Zum Abdrehen und Abrichten der Schleifscheibe empfiehlt Havard Bergland ein diamantbeschichtetes Stück eines Betonsägeblattes oder ähnliches .
! Abgerichtete Schleifscheiben für Werkzeuge mit Kohlenstoffstahl sind unbedingt erforderlich , denn die Eisen sind einfach zu teuer , um sie am Schleifbock zu verschleißen .
Härten von Stählen wie dem Kohlenstoffstahl
Gehärtet wird der Stahl sobald er unmagnetisch ( ab 770°C ) ist , denn in diesem Zustand wird der Kohlenstoff = C im Eisengitter gelöst . Der Vorgang des Eintauchens in Öl oder Wasser wird “Abschrecken” genannt .
Das Wasser sollte abgestanden , also sauerstoffarm sein ( Durch die Hinzugabe von Soda oder Salz verflüchtigt sich der Sauerstoff ) . Traditionell wird das kaltgepresste Leinöl verwendet , doch mitunter hört man auch von Motorölen bis hin zum speziellen Härteöl .
Wie bei fast jedem anderen Vorgang ist der im Stahl eingebundene Kohlenstoff zu beachten . Beim Abschrecken sollen die Temperaturunterschiede nicht zu groß sein und daher ist das Abschrecken eine behutsame Prozedur ( Mehrmaliges Eintauchen mit Restwärme ) .
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Die letzten Handgriffe
Nach dem Härten ist der Stahl spröde und wird daher nochmal erwärmt . Es ist das Anlassen !
Um die Wärme bestens zu verteilen , schiebt der Schmid das dicke Material vor .
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Bei nicht ganz so heißen Werkstücken wie dem Nachschmieden von Meißeln , wird der Stahl nur bis zur Hälfte abgeschreckt . Somit hat das Eisen noch genügend Wärme , um es anschließend nochmal anzulassen .
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Nach dem Sauberbürsten und Abbrennen erfolgt der finale Feinschliff in der Körnung 200 bis 400 .
Feinschmieden erspart viel Schleifarbeit und in welchem Stadium das passiert , hängt auch vom Werkstück ab .
Rostschutz bei Werkzeug – bis Kohlenstoffstahl
Das Werkstück ist dann sauber , wenn es frei von Schlacke und anderen Überresten ist und seidigen Glanz hat .
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Das Bohnern mit Bienenwachs ist generell gut , doch eine tierfergehendere Form der Konservierung ist das Ölbrennen . Dazu wird der Stahl mit einer Schicht Öl angelassen , – statt des Öl’s wird in Japan auch Ton benutzt .
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Generell sei gesagt , dass Stahl roststabiler ist bei einem hohen Kohlenstoffanteil ( gegossene Kanaldeckel , Prachtsäulen etc. ) .
Edelstahl ( V2A ) hat einen 13% Chromanteil und ist dadurch recht roststabil .
Schärfe , – besonders mit Kohlenstoffstahl
Hier trennt sich die Spreu vom Weizen , denn so richtig scharf werden nur laminierte Klingen .
Alle anderen Klingen weisen nach dem Schleifen eine mikrofeine Sägestruktur auf . Das ist auch für die meisten Tomaten ausreichend , doch wer an schönen Schnitten gefallen findet , sollte zu laminierten Stahl greifen .
Damaszenerstahl , Carbonstahl , Kohlenstoffstahl oder laminierter Stahl , – an der Schneide ist all das gleich . Damaszener ist optisch einfach nochmal ein Highlight ,was durch Ätzen mit Säure zum Vorschein kommt . Dennoch ist laminierter Stahl funktioneller ,weil der zähere und somit stabilere Stahl dem Schneidenstahl Halt und Flex gibt . ..
Zu erwähnen sind in dem Zusammenhang die Gesenke , denn sie sind desöfteren in der Artikelbeschreibung von Produkten zu lesen ( gesenkgeschmiedet ) .
Dabei handelt es sich um Schmieden mit einer oder zwei Negativformen , die durch Druck oder Schlag dem Eisen/Stahl seine Form gibt und meist aus industrieller Fertigung stammt .
Fazit
Das untere Beitragsbild zeigt ein Zimmermannsbeil , so wie sie von Steinar Aslakson Turtedalen geschmiedet wurden . Solche Beile haben wie unsere Nomi Stechbeitel einen Scherenschliff ( zweilagig laminiert ) und sind
von Hand geschmiedet .
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! Im Zusammenspiel mit Feuer , Wasser und Luft , schmiedet der Schmid sein Werkstück aus dem vierten Element .
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Diese Elemente aufeinander so abzustimmen , dass sie das Eisen zu was ganz Besonderem machen , ist letztlich der Grund für den Mythos .
